Die Erbengemeinschaft

in Erbrecht

Eine Erbengemeinschaft entsteht, wenn der Erblasser mehrere Erben hinterlässt.

1. Wie funktioniert eine Erbengemeinschaft?

a. Gesamtrechtsnachfolge

Als erstes müssen Sie wissen, dass der Nachlass, angefangen von Hausrat über Bankkonten und Depots, Autos, Immobilien, Kunst, Unternehmensbeteiligungen – also die gesamten Besitztümer des Erblassers –, grundsätzlich ungeteilt auf die Erben übergehen. Das nennt man „Gesamtrechtsnachfolge“.

Sind mehrere Erben vorhanden, erben diese daher nicht einzelne Gegenstände, sondern sind quotal entsprechend ihrer Erbquote an dem gesamten Nachlass beteiligt. Hinterlässt der Erblasser z.B. drei Erben zu gleichen Teilen und besteht der Nachlass aus drei Stühlen, dann wird nicht jeder Erbe Eigentümer eines Stuhls, sondern alle drei Stühle stehen in ihrem gemeinschaftlichen Eigentum („Gesamthandseigentum“).

b. Gemeinsame Verwaltung des Nachlasses bis zur Erbauseinandersetzung

Der Nachlass muss daher bis zu einer vollständigen Erbauseinandersetzung von allen Erben gemeinsam verwaltet werden.

Verwaltung des Nachlasses sind die Maßnahmen, die der Erhaltung, Nutzung und Mehrung des Nachlasses dienen (z.B. die Einziehung von Forderungen für den Nachlass, Reparaturen an Nachlassgegenständen, die Bestellung eines Hausverwalters, der Abschluss von Mietverträgen oder die Fortführung eines Handelsgeschäftes).

Alleine darf grundsätzlich kein Erbe tätig werden. Es muss stets eine Abstimmung mit den übrigen Erben erfolgen. Wenn die Erben sich nicht einigen können, entscheidet grundsätzlich die Stimmmehrheit. Dabei hat nicht jeder Erbe eine Stimme, sondern die Stimmenmehrheit wird nach der Größe der Erbteile berechnet (Beispiel: Der Ehegatte E wurde Erbe zu ½ und die beiden Kinder S und T zu jeweils ¼. E, S und T bilden eine Erbengemeinschaft. Im Nachlass ist ein Mietshaus. E ist der Auffassung, das Treppenhaus müsse renoviert werden. S gibt ihr recht, T ist dagegen. Es hat sich also eine Stimmenmehrheit von ¾ gegen ¼ gebildet. E darf die Renovierung veranlassen).

Nur im Falle einer „notwendigen Erhaltungsmaßnahme“ kann jeder Miterbe allein ohne Mitwirkung der anderen Erben tätig werden. Dies aber auch nur, wenn die Maßnahme unaufschiebbar ist und es dem handelnden Erben unmöglich ist, zuvor noch die Zustimmung der anderen Erben einzuholen (z.B. die Reparatur eines Daches, durch das es regnet).

c. Verfügung über Nachlassgegenstände bis zur Erbauseinandersetzung

Kein Erbe darf einzelne Nachlassgegenstände alleine verkaufen oder verschenken. Die Erben müssen einstimmig über solche Maßnahmen entscheiden.

d. Verkauf des gesamten Erbteils

Demgegenüber darf jeder Erbe seinen gesamten Erbanteil verkaufen. In dem Fall sieht das Gesetz zugunsten der übrigen Erben ein Vorkaufsrecht vor. In den meisten Fällen verkauft ein Miterbe seinen Erbteil an einen anderen Miterben und lässt sich auszahlen.

e. Haftung für Nachlassverbindlichkeiten

Grundsätzlich haften alle Erben gemeinschaftlich für Schulden des Erblassers, sog. Nachlassverbindlichkeiten. Die Nachlassverbindlichkeiten müssen vor einer Verteilung des Nachlasses an die Erben beglichen werden.

Reicht der Nachlass zur Erfüllung der Verbindlichkeiten nicht aus, droht Gefahr, dass Sie nicht nur mit Ihrem neu erworbenen „Erbe“ haften, sondern mit Ihrem gesamten Privatvermögen.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Haftung des Erben auf den Nachlass zu beschränken. Sind Sie betroffen, sollten Sie zu diesem Thema schnellstmöglich einen Anwalt zu Rate ziehen.

2. Und wie setzt sich die Erbengemeinschaft auseinander?

Das Ziel einer Erbengemeinschaft ist die Auseinandersetzung, also die Verteilung des Nachlasses entsprechend der Erbquoten. Gerade diese Auseinandersetzung trägt großes Konfliktpotential in sich. Es gibt zwar einige gesetzliche Regelungen zur Auseinandersetzung, doch einigen müssen sich die Erben alleine.

Das fängt bereits an mit Bewertungsfragen. Was ist der Hausrat wert, der möglicherweise mal wertvoll war, sich aber nicht an den Mann bringen lässt. Was sind Schmuck oder Kunst wert? Was sind Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen wert?

Weiter können finanzielle Zuwendungen zu Lebzeiten an einzelne Erben eine Rolle spielen.

Schließlich muss man sich einigen, wer was bekommt und/oder welche Nachlassgegenstände wann verkauft werden. Bei der Verteilung kochen häufig die Emotionen hoch. Das Gerechtigkeitsempfinden der einzelnen Erben klafft auseinander, plötzlich wird um jeden zu verteilenden Gegenstand gestritten.

Da die Erbengemeinschaft das Ziel der Auseinandersetzung verfolgt, darf grundsätzlich jeder Erbe zu jeder Zeit die Auseinandersetzung verlangen. Werden sich die Erben über die Verteilung dann nicht einig, müssen die Nachlassgegenstände möglicherweise versteigert werden, Immobilien z.B. im Wege der Teilungsversteigerung. Solche „Zwangs“versteigerungen können zu erheblichen Wertverlusten führen.

3. Muss ich steuerlich etwas beachten?

Die Erbauseinandersetzung kann sowohl Schenkungsteuern als auch Ertragsteuern ausgelösen. Sie sollten sich hierzu bei einem Erbrecht’ler oder Ihrem Steuerberater informieren.

4. Konfliktpotential der Erbengemeinschaft

Erbengemeinschaften haben nach alle dem ein sehr hohes Konfliktpotential.
Menschen, die emotional durch den Tod einer ihnen nahestehenden Person belastet sind, werden plötzlich gezwungen, den Nachlass unter sich aufzuteilen ohne jede Hilfestellung.
Teilweise finden sich Menschen in einer Erbengemeinschaft wieder, die noch nie miteinander zurechtgekommen sind, z.B. die Kinder aus der ersten Ehe und der zweite Ehepartner.
Ob nun zu Lebzeiten Harmonie oder Disharmonie zwischen den Erben herrschte, der Tod eines geliebten Menschen führt leider häufig zu völlig irrationalen Verhaltensweisen. Die Erben streiten im Rahmen der notwendigen Erbauseinandersetzung um jede Kleinigkeit und verlieren jede sinnvolle Lösung aus dem Blick. Wir erleben leider immer wieder, dass sich selbst Geschwister, die sich stets gut verstanden haben, im Rahmen solcher Erbauseinandersetzungsprozesse derart zerstreiten, dass sie irgendwann ausschließlich noch über ihre Anwälte kommunizieren.
Erfolgt keine Einigung, folgen zeit- und kostenintensive gerichtliche Auseinandersetzungen. Der Familienfrieden leidet oder wird zerstört, letztlich wird der Nachlass durch die Streitigkeiten geschmälert.

5. Was können Sie tun?

In Ihrem Testament können Sie die Bildung von Erbengemeinschaften gezielt vermeiden. Gleichbehandlung muss nicht stets mit einer gemeinsamen Erbeinsetzung einhergehen, man kann eine Person zu seinem Erben bestimmen und die übrigen gewünschten Personen anders testamentarisch berücksichtigen (z.B. über Vermächtnisse) und so wieder eine wirtschaftliche Gleichbehandlung erzielen.
Oder Sie setzen mehrere Personen zu Ihren Erben ein, legen aber die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in die Hände einer geeigneten Person.
Schließlich können Sie in Ihrem Testament Regeln aufstellen, wie sich die Erbengemeinschaft auseinandersetzen muss. Sie können auch einzelne Nachlassgegenstände zuteilen z.B. durch Teilungsanordnungen.
Sind Sie bereits Teil einer Erbengemeinschaft, die Schwierigkeiten mit der Verwaltung oder Auseinandersetzung hat, ist der Nachlass überschuldet oder möchten Sie die geplante Auseinandersetzung einmal steuerlich überprüfen, dann sollten Sie sich von einem Erbrechtler beraten lassen.