Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bei Kündigung des Handelsvertretervertrages

in Handels- und Gesellschaftsrecht

In unserem letzten Beitrag haben wir die Grundzüge der Ansprüche von Handelsvertretern und Vertragshändlern während des Vertragsverhältnisses erläutert.

In unserer Praxis erleben wir aber vor allem immer wieder, dass Unternehmer und Handelsvertreter in Streit geraten, wenn der Unternehmer dem Handelsvertreter- oder Vertragshändler kündigen möchte. Hier stoßen vollkommen unterschiedliche – häufig emotional motivierte – Verständnisse und Vorstellungen aufeinander:

Der Handelsvertreter möchte für seine geleistete Arbeit in der Vergangenheit eine weitere Belohnung (den Ausgleichsanspruch). Der Unternehmer hingegen fällt dann häufig aus allen Wolken, weil er empfindet, dass der Handelsvertreter bzw. Vertragshändler durch die Bezahlung der Provisionen für abgeschlossene Geschäfte schon mehr als genug erhalten hat.

Die gesetzliche Konzeption ist wie folgt:

1. Ausgleichsanspruch dem Grunde nach

Kündigt der Unternehmer den Handelsvertretervertrag mit dem Handelsvertreter, kann der Handelsvertreter von dem Unternehmer einen angemessenen Ausgleich verlangen (Ausgleichsanspruch), wenn der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit neuen Stammkunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses noch erhebliche Vorteile hat. Dies gilt auch für bereits vorher bestehende Kundenbeziehungen, wenn der Handelsvertreter die Geschäftsverbindung mit diesem Kunden so wesentlich erweitert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines neuen Kunden gleichkommt und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit entspricht.

Schon hier entsteht häufig der erste Streit, weil unterschiedliche Auffassungen bestehen, ob es sich bei den Kunden um Stammkunden handelt oder nicht. Hier muss dann immer eine Einzelfallbetrachtung anhand von zahlreichen Kriterien angestellt werden, die von Gerichten im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt wurden.

2. Ausschluss des Ausgleichsanspruches

Unternehmer haben regelmäßig ein Interesse daran, den Ausgleichsanspruch auszuschließen. Hier bitte beachten: Dies ist im Vorhinein für Handelsvertreter, die in der EU tätig werden, nicht möglich.

Zulässig ist es, bei Beendigung des Vertragsverhältnisses eine einvernehmliche Regelung zu treffen. Diese Möglichkeit birgt für beide Seiten Chancen und Risiken. Lassen Sie sich hier unbedingt beraten und achten Sie ganz genau darauf, was Sie unterschreiben.

3. Ausgleichsanspruch der Höhe nach

Berechnungsgrundlage für die Höhe des Ausgleichsanspruchs sind nach der Rechtsprechung grundsätzlich die verdienten Provisionen des Handelsvertreters im letzten Vertragsjahr. Wenn aber das letzte Vertragsjahr einen atypischen Verlauf genommen hat oder wenn es sich um Geschäfte besonderer Art handelt, z. B. um langlebige Wirtschaftsgüter, deren Vertrieb nicht immer kontinuierlich verläuft, ist für die Ausgleichsberechnung ein Durchschnittswert unter Heranziehung eines längeren Zeitraumes zu bilden.

In einem nächsten Schritt ist sodann zu bestimmen, für welche Zeit nach Vertragsbeendigung der Handelsvertreter aus dem von ihm geschaffenen Kundenstamm noch hätte Vorteile ziehen können.

Sodann ist der Basisbetrag mit dem Prognosezeitraum zu multiplizieren.

Von diesem Betrag ist dann eine Abzinsung vorzunehmen. Die Rechtsprechung nimmt üblicherweise eine Abzinsung von 5 bis 20 % vor.

Zuletzt ist dann die Begrenzung des Ausgleichsanspruches zu berücksichtigen, da dieser gesetzlich auf die durchschnittliche Jahresvergütung der letzten 5 Vertragsjahre begrenzt ist.

4. Überhangprovisionen

Unter Umständen kann der Handelsvertreter auch sogenannte Überhangprovisionen verlangen, d. h. Provisionen aus Geschäften, die bei Vertragsbeendigung zwar abgeschlossen aber noch nicht ausgeführt waren.